Buddhas Glücksgeheimnis
Was ist das Geheimnis des Glücks? Buddha kannte es: die Überwindung des Leidens durch inneren Gleichmut, Loslassen von Gier und anderen negativen Emotionen. Also Einsichten, die auch in der modernen Psychologie eine immer größere Rolle spielen. Deshalb wird der Buddhismus heute neu entdeckt: als Methode, um in unserer schnelllebigen Zeit zu Wohlbefinden und Leichtigkeit, Ruhe und innerer Kraft zu gelangen. Thomas Bien konzentriert sich in seinem Buch „Buddhas Glücksgeheimnis“ ganz und gar auf den lebenspraktischen Kern der buddhistischen Lehre.
Mit Atem- und Entspannungsübungen, Mantra-Meditation, Gehmeditation und Übungen für verbessertes Körperbewusstsein eröffnet er wertvolle Möglichkeiten zur positiven Veränderung unserer Lebenseinstellung. Indem wir jeden Moment des Alltags bewusst wahrnehmen und die Gaben jedes Tages schätzen lernen, finden wir den Weg zu wahrer Freude und dauerhaftem Glück.
Aus dem Buch „Buddhas Glücksgeheimnis“:
In einer schwierigen Phase meines Lebens flatterte einmal ein Monarchfalter an meinem Fenster vorbei. Als ich ihn sah, wusste ich irgendwie sofort, dass alles gut werden würde. Jedes Jahr, wenn der Sommer wieder kommt und ich diesen Schmetterling das erste Mal sehe, fällt es mir wieder ein: Glück ist immer möglich. Unser Glücksfalter ist immer da, aber wie finden wir ihn? Wenn wir ihn einfangen, uns also an die Glückserfahrung zu klammern versuchen, zerstören wir eben das, was unsere Freude hervorbringt. Die Versuchung, so zu handeln, ist immer gegeben, aber ihr nachzugeben führt nicht zum gewünschten Ergebnis.
Wenn wir Verluste erleiden oder es schwer haben, ist Glück wie etwas sehr Fernes und Abstraktes, kaum noch vorstellbar. Das Leben scheint aus abgeschlossenen Bereichen zu bestehen. Wenn wir uns im »Abteil« Verlust und Kummer aufhalten, können wir uns das Abteil Glück und Behagen nicht einmal vorstellen. Verzweiflung und dieses bittere Abwinken setzen sich nur zu leicht in uns fest, und dann lassen wir positive Ereignisse nicht mehr gelten. Sofern wir sie überhaupt bemerken, wischen wir sie beiseite, aber alles Negative nehmen wir unbesehen als real.
Schwierige und verlustreiche Zeiten haben sicherlich ihr Gewicht, aber sie sind ebenso sicher nicht das Ganze. Viel von unserem Missmut hängt an den kleinen, lästigen Schwierigkeiten des Alltags. Den großen Herausforderungen wie schweren Verlusten oder wirklich bedrohlichen Problemen zeigen wir uns manchmal gewachsen, aber die Kleinigkeiten nagen an uns: wenn wir keinen Parkplatz finden, wenn wir uns durch die Ebenen der Computeransagen eines Callcenters kämpfen, wenn der Regen unsere sportlichen Pläne durchkreuzt oder wir auf dem Kontoauszug einen Fehler entdecken.
Wir alle suchen Glück, aber unser Vorgehen dabei zeugt nicht immer von Klugheit. Und der Weg, den wir einmal eingeschlagen haben, verselbständigt sich nur zu leicht. Wir blicken nicht mehr durch. Wir wissen nicht, wo es lang geht, und dann schieben uns Kräfte von außen und Gewohnheiten von innen in eine Richtung, in die wir gar nicht wollen. Wir sind dann wie der Mann auf dem durchgegangenen Gaul. „He, wohin so eilig?“, ruft ihm jemand zu. „Frag das Pferd!“, ruft er zurück. Statt selbst die Zügel in die Hand zu nehmen, lassen wir unsere Glückssuche mit uns durchgehen.
Wenn ein gewisser Erfolg uns glücklich macht, denken wir, muss mehr Erfolg noch glücklicher und viel Erfolg mächtig glücklich machen. Und wenn Geld auch zum Glücklichsein gehört, muss uns eine Menge Geld dann nicht überglücklich machen? Anstatt dafür zu sorgen, dass wir uns wohlfühlen, beugen wir uns dem Diktat der Arbeit, bis sie auch noch in der Freizeit unser Denken beherrscht. Hinzu kommt, dass manche der Dinge, von denen wir uns Befriedigung versprechen, von vornherein völlig untauglich sind.
Als junger Mann mit intellektuellen Neigungen dachte ich immer, glückliche Leute seien eher oberflächlich. Ich fand, Intelligenz müsse skeptisch, wenn nicht zynisch sein. Alles andere zeugte in meinen Augen von mangelnder Intelligenz. Nach und nach habe ich aber doch den Sinn fürs Glücklichsein bekommen. Heute sehe ich das Glücklichsein in allen Schwierigkeiten des menschlichen Lebens als eine hohe Kunst, als großen Erfolg. Glück lernen – vielleicht ist es das Wichtigste überhaupt.
BUDDHISMUS UND DER WEG ZUM GLÜCK
Wie können wir lernen, glücklich zu sein? Es gibt da mancherlei, worauf wir zurückgreifen können. Möglicherweise hilft Psychologie. Therapie erweist sich vielleicht als hilfreich. Bücher und Workshops können ebenfalls nützlich sein. Vergessen wir dabei aber nicht die großen spirituellen Traditionen der Welt. Von jeder spirituellen Überlieferung lässt sich etwas lernen.
Das Christentum lehrt uns die entscheidende Bedeutung der Gnade, das Judentum den Wert eines ernsthaften moralischen Lebens, des Dienens und der guten Taten. Der Islam bringt uns Gottergebenheit nahe, der Hinduismus sagt uns, dass wir von Gott nicht getrennt sind, während wir im Taoismus von der Bedeutung der Stille und des Nicht-Kämpfens erfahren.
Eine spirituelle Tradition, die uns heute bei der Suche nach Glück helfen soll, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Sie muss darauf angelegt sein, unser menschliches Potenzial zu entfalten. Im Zeitalter der Naturwissenschaft muss sie außerdem empirisch sein, zumindest in dem Sinne, dass sie auf Erfahrung und nicht einfach auf Autorität beruht. Sie darf nicht dogmatisch sein, schließlich sollen ja nicht noch mehr Trennungslinien und Barrieren in der Welt geschaffen werden. Und sie muss psychologisch fundiert sein und uns mit unseren Sorgen, unserer Traurigkeit, unseren Ängsten helfen können. Der Buddhismus entspricht diesen Anforderungen in geradezu idealer Weise.
Erstens besitzt er einen starken humanistischen Anteil. So tief die Erleuchtung des Buddha war, er behauptete nie, ein Gott zu sein, er verneinte das sogar ausdrücklich. Da er kein Gott war, muss das, was er uns zeigte, wohl allen Menschen möglich sein. Wenn er es konnte, können Sie es auch. Das ist eine hohe Einschätzung des Menschenmöglichen.
Zweitens nimmt der Buddhismus eine empirische Haltung ein und bietet Einsichten und Praktiken, die sich in ein konkretes Vorgehen umsetzen lassen, wobei er uns zutraut, dass wir dann schon selbst herausfinden, ob dieses Vorgehen einen inneren Wandel bewirkt. Die Unterweisungen des Buddhismus verstehen sich als ein Angebot, das eigentlich besagt: Wenn andere zu dieser Erfahrung gelangt sind, kannst du es auch. Wenn sie ausbleibt, wählst du einen anderen Ansatz. Der Buddhismus drängt uns nicht, irgendetwas ungeprüft zu übernehmen. Er sagt: Bediene dich dieser Empfehlungen und sieh selbst.
Drittens ist der Buddhismus relativ undogmatisch. Der Buddha betonte immer wieder, seine Unterweisungen seien als „geschickte Mittel“ und nicht als letztgültige Wahrheitsaussagen zu betrachten. Es handelt sich um einen Weg, den man gehen kann, nicht um ein Dogma, das es zu verteidigen gilt. Nach den Worten des Buddha müssen wir sogar von den wahren Lehren lassen – von den unrichtigen natürlich erst recht. Der dritte Patriarch des Zen legt uns sogar nahe, mit der Wahrheitssuche aufzuhören und stattdessen lieber das Festhalten an Meinungen aufzugeben. Wenn wir meinen, wir hätten die richtige Überzeugung, ist damit ja bereits gesagt, dass andere Überzeugungen falsch sein müssen – und da haben wir den Keim all der Gewalt, unter der so viele Menschen leiden mussten und müssen.
Auch die Frage des Gottesglaubens muss nicht erst geklärt werden, bevor man sich der buddhistischen Praxis zuwendet. Gottesglaube ist für Buddhisten jedermanns eigene Sache. Aus buddhistischer Sicht ist es unerheblich, ob Sie an Gott glauben oder nicht, denn was Sie tun müssen, um glücklich und frei zu sein, ist mit und ohne Gott dasselbe. Man hat den Buddhismus „funktionell agnostisch“ genannt, und damit ist gemeint, dass es letztlich auf unsere persönliche Praxis und Erkenntnis ankommt, auch wenn viele buddhistische Texte im Geist ihrer Entstehungszeit von Göttern sprechen. Nur durch eigene Praxis gewonnene Einsicht befreit uns von Leid und Verblendung.
Der Glaube an ein Gott genanntes höchstes Wesen kann also ruhig wichtig für Sie bleiben, und Sie werden keine Mühe haben, Ihren Glauben mit dem Ansatz dieses Buchs zu vereinbaren. Jedenfalls liegt das Hauptaugenmerk im Buddhismus auf der Praxis. Man braucht nichts zu glauben. Man muss nichts verteidigen. Gehen Sie der Spur Ihrer eigenen Erfahrung nach.
BUDDHISMUS ALS PSYCHOLOGIE
Buddhisten tun Dinge, die nach Religion aussehen. Sie tragen Mönchsgewänder, brennen Räucherwerk ab, verneigen sich vor Altären, zelebrieren Rituale – wie es die Anhänger anderer Religionen auch tun. Aber diese Kult-Seite ist nicht der Kern der Sache. Man könnte sogar sagen, der Buddhismus sei eigentlich gar keine Religion. Im Grunde ist Buddhismus nicht einmal ein „-ismus“. Diese Bezeichnung ist ohnehin eine westliche Erfindung und wird in buddhistischen Ländern nicht verwendet. Im Osten spricht man einfach vom Dharma oder Buddha-Dharma, was so viel wie der Weg oder die Lehre des Buddha bedeutet.
Ich halte es für legitim, den Dharma als eine sehr kluge, ausgesprochen alte Psychologie zu bezeichnen. Ähnlich der heutigen Psychologie war der Buddha im Wesentlichen darum bemüht, Leiden zu lindern. Nachdem er selbst das gefunden hatte, was ihn von allen Kümmernissen befreite, strebte er weitere fünfundvierzig Jahre danach, anderen gemäß ihren Möglichkeiten und Neigungen zu vermitteln, wie sie selbst zu dieser tiefen Einsicht gelangen konnten. In diesem Buch möchte ich mich dem Dharma ebenfalls unter diesem psychologischen Gesichtspunkt annähern.
Sie werden erfahren, wie die Erkenntnisse des Buddha Ihnen zum Glück verhelfen können. Sie brauchen dazu nicht Buddhist zu werden. Sie werden Hilfen für schwierige Lebenssituationen, wie negative Emotionen, Verluste, Krankheit und mehr, finden. Die Einsichten des Buddha können uns sogar helfen, dem Tod mit Weisheit und Haltung zu begegnen.
Meditation: Erreichbar sein für das Glück
Betrachten Sie eine Blume, nehmen Sie sich Zeit, sehen Sie ihre
Schönheit. Achten Sie auf Ihren Atem, auf jedes Einatmen, jedes
Ausatmen. Versuchen Sie nichts zu erfassen, analysieren Sie
nicht, seien Sie einfach darauf aus, sich dieser Blume zu öffnen.
Sie betrachten nur die Blume und sagen beim Einatmen innerlich:
»Ruhig«, dann »offen«, dann »schön«. Spüren Sie eine Verbundenheit
mit der Blume, ein Gefühl von Einssein?
Wiederholen Sie die Übung, sooft Sie mögen. Sie werden
bemerken, dass Sie mal empfänglicher und mal weniger empfänglich
sind. Probieren Sie es auch mit anderen schönen Dingen
aus, mit einem Baum, einem Berg, einem Blatt oder dem blauen
Himmel. Üben Sie im Geist des Nichtübens, also in dem Gedanken,
dass es nichts zu erreichen gilt. Sie möchten nur Ihre Freude
an der Blume haben, an Ihrer eigenen Präsenz, Bewusstheit und
Lebendigkeit, Sie möchten einfach nur in diesem Augenblick
glücklich sein.
Text:
Thomas Bien – der Amerikaner ist frei praktizierender Psychologe. Er lehrt die Methoden des Buddhismus, wobei sein Augenmerk auf der Praxis der Achtsamkeit liegt. Er lebt in Albuquerque, New Mexico.
BUCHTIPP:
Thomas Bien
Buddhas Glücksgeheimnis. Wie wir das Leiden loslassen und Freude im Jetzt finden.
288 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag