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Bewusstsein wächst durch Herausforderungen

Herausforderungen, Probleme, Challenges … wir haben viele Begriffe für Dinge, die uns scheinbar negativ in den Weg des Lebens kommen. Und wir Menschen sind Meister darin, uns über diese Dinge den Kopf zu zerbrechen und aus ihnen Felsen zu machen. Meist jedoch ist die Herausforderung oder das Problem, wie auch immer Sie es nennen möchten, nur ein kleines Steinchen in unserem Wanderschuh, doch unsere Gedanken daran und vor allem unser Gedankenfluss darüber, machen daraus einen riesigen Brocken, der uns unseren Weg um einen Umweg erschwert. Eckhart Tolle befindet sich dieses Mal in der Schweiz und spricht über Herausforderungen und wie sie unser Bewusstsein wachsen lassen.

Eines ist von Anfang an klar: Als Probleme möchte er dies eher nicht so gerne definieren. Erscheint verständlich. Ein Problem ist in unserem Wortschatz schon von Grund auf negativ behaftet. Es gibt keine positiven Probleme. Der Duden definiert „Problem“ zum einen als „schwierige [ungelöste] Aufgabe, schwer zu beantwortende Frage, komplizierte Fragestellung“ und zum anderen als „Schwierigkeit“. Genau da kommt auch schon das Problem mit der Definition eines „Problems“. Es geht also in der ersten Definition um Fragestellungen. Fragen bilden Gedanken und Gedanken bilden Gedankenströme. Genau das aber, so Tolle, sollen wir nicht zulassen. Wir sollen uns nicht in Interpretationen und Fragen und Gedanken verirren, wir sollen sein. Bewusst sein und bewusst leben. Wie aber schafft man das?

Beginnen wir so, wie Eckhart Tolle in seinem Vortrag begonnen hat und klären wir einmal eine ganz grundlegende Sache: Wir Menschen stellen uns das Leben problemlos vor. Ständig denken wir darüber nach, wie glücklich wir wären, hätten wir diese und jene Probleme nicht, wie gut es anderen Menschen geht, die scheinbar keine Probleme haben und wie unglücklich wir sind, weil wir diese Probleme haben. Es ist aber nun mal so, dass der Sinn des Lebens nicht darin besteht, uns glücklich zu machen. Dazu ist das Leben nicht da. Glücklichsein beginnt mit uns und nicht mit unseren Situationen.

Eine Situation kann uns zwar glücklich machen, aber nicht auf Dauer. Sie zieht an uns vorbei und bleibt als schöne Erinnerung, in der wir uns aber nicht verlieren sollen. „Ach, wie schön war das damals, und jetzt ist es nicht mehr so schön“. Situationen sind, wie sie sind. Sie sind da. Ob sie positiv oder negativ sind, liegt nicht an den Situationen selbst, sondern an unserer Interpretation.

Ist es die Situation, die mich unglücklich macht, oder ist es meine Interpretation der Situation?“

Es ist auch zu akzeptieren, dass kein anderer Mensch in unserem Leben dafür zuständig ist, uns glücklich zu machen. Jeder von uns war schon einmal verliebt und man hatte das Gefühl „du machst mich glücklich“. Aber irgendwann ging das vorbei. Dinge änderten sich, wurden vor Herausforderungen gestellt und man erkannte, dass irgendetwas nicht mehr so ist, wie es einmal war. Und schon würde man „du machst mich glücklich“ zu dieser einen Person nicht mehr sagen. Das ist natürlich und wird auch immer so sein. Ein Zitat von Eckhart Tolle dazu: „Irgendetwas stimmt immer nicht“. Man kann nicht immer glücklich sein. Und sein Glück, oder sein Glücklichsein, wie auch immer man es bezeichnen will, kann man nicht von anderen Menschen fordern. Kein Mensch ist für das Glück eines anderen zuständig. Kein Mensch, kein Tier, keine Situation, nicht einmal das Leben. Glücklichsein liegt alleine in uns.

Unser Ego liebt den Fluss der negativen Gedanken, es fühlt sich dadurch überlegen. Wenn ich mich über andere Menschen beschwere, „dieser Mensch war so unhöflich zu mir, ein schrecklicher Mensch“, dann fühle ich mich überlegen. Dieser Mensch ist unhöflich, ich bin es nicht, ergo bin ich besser. Das Ego wächst mit dem Gefühl der Überlegenheit. Wir müssen aufhören, unser Ego mit den Gedankenflüssen zu füttern. In den meisten Fällen sind Gedanken negativ. „Ach, so ein schöner Sonnenuntergang“, wäre ein kurzer Gedanke, der lange Gedanke widmet sich eher der unhöflichen Bedienung vom Vorabend. Darüber könnten wir stundenlang grübeln und wir könnten diese Gedanken stets mit Neuem nähren. „Gibt ja so viele unhöfliche Menschen, Menschen sind unhöflich, …“ Erst, wenn wir uns von unseren Gedanken befreien können, werden wir glücklicher und bewusster. Unser Bewusstsein wächst.

Jede Lebensform wird ständig mit Herausforderungen konfrontiert. Das ist die Natur der Dinge und auch gut so. Ohne Herausforderungen wächst nichts. Jedes schlechte, neuere oder sich verändernde Wetter stellt eine Herausforderung an unsere Vegetation. Und sie stellt sich dieser Herausforderung, akzeptiert sie und wächst. Nicht mehr so wie vorher, verändert, aber sie wächst. Jede Evolution begann mit einer Herausforderung, der sich Lebewesen und Pflanze stellen mussten. Hätte es nie Herausforderungen gegeben, wären wir heute nicht dort, wo wir sind. Nicht in der Natur, nicht in der Wissenschaft, Medizin oder Technik.

Wir würden heute nicht dort stehen, wo wir bereits sind, hätten uns die Herausforderungen unseres Lebens uns nicht dorthin gebracht. Gerade, weil schon viel schiefgelaufen ist im Leben, sind wir so, wie wir sind und das ist wunderbar. Eckhart Tolle bezeichnet die Erkenntnis, dass schon vieles schiefgelaufen ist, aber man dies als Herausforderung anerkannt und bewältigt hat, sogar als den ersten Schritt in Richtung Bewusstsein. So fängt man an, Herausforderungen als das zu sehen, was sie sind. Keine Probleme, die uns blockieren, sondern ein Aufwind, der uns weiter treibt im Leben und uns wachsen lässt.

Das Leben ist dazu da, um uns bewusster zu machen, nicht um uns glücklich zu machen. Aber gerade dieses Bewusster-Werden ist der Schritt zum Glück, wenn man es so bezeichnen will. Wer bewusst ist und bewusst lebt, ist auch glücklich. Weil er aufhört, sich Geschichten durch das historische Ich zu erzählen, weil er aufhört, in der Vergangenheit zu verweilen und weil er sich bewusst wird, dass, was auch immer kommt, er bewusst ist. Als Mensch. Eckhart Tolle hat dazu ein ganz gutes Beispiel gebracht:

Stellen Sie sich vor, Sie sind am Flughafen. Sie müssen noch etwas im Supermarkt kaufen und stehen dafür in einer langen Schlange an der Kassa an. Plötzlich wird durchgesagt, dass Ihr Flug gecancelt wurde. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, diese Situation zu interpretieren. Entweder man fängt an, sich den Gedanken zu widmen, „jetzt erwische ich den Anschluss nicht mehr, was ist das für eine schlechte Fluggesellschaft …“ und wütend zu werden, dann wird man aber auch unglücklich, oder man fängt an, die Situation anders zu interpretieren: „Ich kann die Situation nicht ändern. Es liegt außerhalb meiner Macht. Aber eines kann ich. Ich stehe und atme. Das hätte ich dort auch gemacht. Ich wäre in einem Flieger gesessen und hätte geatmet. Der Mensch steht und liegt und sitzt doch immer irgendwo und atmet, ich tue es eben hier.“

Wer sich bewusst wird, findet in sich eine Tiefe, einen Ruhepunkt, der gleichzeitig dynamisch ist. Versuchen Sie eine einfache Übung, um dieses Oxymoron besser zu begreifen:

Schließen Sie Ihre Augen. Heben Sie eine Hand nach oben. Lassen Sie die Augen geschlossen. Ist Ihre Hand oben? Woher wissen Sie das? Sie haben doch Ihre Augen geschlossen. Können Sie es vielleicht auf andere Art wahrnehmen? Spüren Sie denn Ihre Hand bewusst? Ja. Versuchen Sie es auch mit den Beinen und dem Körper. Sie werden merken, auch wenn Sie Ihren Körper ruhig halten und nur bewusst wahrnehmen, spüren Sie die Lebendigkeit in ihm.

So ist dies auch mit unserem Ruhepol. Er entsteht durch eine innere Tiefe und Stille und wird lebendig und dynamisch, dadurch, dass wir uns ihm bewusst werden.

Das Interessanteste an unserer Tiefe ist, dass wir sie ganz oft genau in solchen Momenten finden, in denen wir unglücklich sind oder in denen etwas schiefläuft. Und das ist wiederum etwas Gutes. Denn so müssen wir nicht darauf warten, irgendetwas läuft schließlich immer schief.

Text: VITA-Redakteurin Antonia Pichler

DVD-TIPP:

Eckhart Tolle

Bewusstsein wächst durch Herausforderungen

Vortrag in der Schweiz 2015

DVD

Kamphausen Verlag / www.kamphausen.media

Hier geht’s zur DVD:

https://www.kamphausen.media/search?searchQuery=Bewusstsein%20w%C3%A4chst%20durch%20Herausforderungen